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Drei Künstler in einer Wohnung
Nackte Tatsachen in Tempelhof

Wulf Schiel, Sibylle und Matthias Böhler - drei Künstler haben zusammengefunden. Bereits das dritte Mal wird eine gemeinsame Ausstellung eröffnet - Anfang November in Berlin, Ende November in München. Ungewöhnlich ist der Ort der Präsentation. Die Privatwohnung des Tempelhofer Ehepaars wird zur Galerie.

"'Nackt' - so heißt unser neues Thema! Das wussten wir schon am 11. Mai 2003, dem letzten Tag der vergangenen Ausstellung." Sibylle Böhler, Philologin und Verlagsangestellte ist die Textkünstlerin des Trios. "Die ersten Ausstellungen hießen ,Lebenslust' und ,Dreiklang', also sehr optimistische und harmonische Bezeichnungen. Im Moment ist das Leben ganz schön hart! Da passt das. ,Nackt' klingt reißerisch. Jeder nähert sich dem Begriff anders. ,Nackt' bedeutet für uns klare Texte, nackte Wahrheit, glänzendes Material!" Metalldesigner Matthias Böhler kann sich dem nur anschließen. Sein Werkstoff Metall passt in diese Kategorien. Was der Künstlerkollege Wulf Schiel, spezialisiert auf Steintorsi und Zeichnungen, in München aus dem Thema gemacht hat, das wird sich spätestens am 5.November zeigen.

Achtung - Fertig - Wohnung leer!
Wenn der Ausstellungstermin näher rückt, dann wandelt sich das Bild der Wohnung von Sibylle und Matthias Böhler. Zwei große Räume im Eingangsbereich werden ausgeräumt. Regale bekommen große weiße Stoffbahnen als Abdeckung - eine Verhüllung. "Weiße Wände und ganz helles Licht verändern die Räume!" Matthias Böhler zeigt ein Foto der letzten Ausstellung. Die Zimmer müssen den Vergleich mit einer klassischen Galerie nicht scheuen. Die Kunstobjekte und Bilder werden auf die Freiflächen an den Wänden und den Raum verteilt. Die Altbauwohnung ist groß, hat hohe Decken, die Kunst kann zur Geltung kommen. Genügend Platz für Besucher und Freunde gibt es auch. Sie treffen sich im großzügig geschnittenen Flur und in der gemütlichen Küche, wo es während der Vernissage Häppchen und Getränke geben. "Wer die Gelegenheit in Tempelhof verpasst, der kann Ende November in München die gleiche Ausstellung in einer anderen Wohnung besuchen." Eine Chance, die Münchner in umgekehrter Reihenfolge nutzen. Frau Böhler lächelt: " Es gibt Leute, die sagen, die Münchner Wohnung kennen sie schon. Jetzt möchten sie auch die Berliner Wohnung sehen!" Vorbereitungszeit und Ausstattung der Wohnung macht ihnen viel Freude, ist aber auch ganz schön strapaziös. "Nach drei Tagen ist man unheimlich aufgedreht. Die vielen Leute, die gekommen sind! Am Sonntagabend, wenn alles vorüber ist, sitzen wir noch bis in die Nacht zusammen, um das Ganze zu verdauen. Kunst ist spannend, aber auch anstrengend!"

Aus drei mach Kunst
Die gebürtige Hamburgerin Sibylle Böhler, damals noch Frau Stöcker, studierte in München Literatur und Theaterwissenschaft. "Ich bin eine Leseratte!" gesteht Sibylle Böhler. "Schon in München habe ich mit Lesetouren begonnen. Das sind Stadtführungen auf literarischen Spuren. Ein privater Lesekreis dazu: Für mich eine tolle Art, mit Literatur umzugehen." Sie trifft den in Kronstadt / Rumänien geborenen Künstler Wulf Schiel in der bayrischen Hauptstadt und eine gemeinsame künstlerische Reise beginnt. Wulf Schiel ist der einzige der drei, der inzwischen teilweise von der Kunst leben kann. Er betreibt neben seiner Arbeit als Kunsterzieher und Werklehrer ein Atelier in München. In fast allen Bereichen des künstlerischen Schaffens ist er zu Hause. Seine Lieblingsgangart ist die Steinbildhauerei.
Das Künstlertrio wird komplett, als Sibylle Stöcker nach Berlin umsiedelt. "Ich fand Bayern auf Dauer nicht lebbar!" Sie lernt den Metalldesigner Matthias Böhler kennen, der von Konstanz nach Berlin kam. "Ich stamme aus einem Metallbetrieb - Schlosserei in drei Generationen am Bodensee.". "Hier in Berlin bin ich viel mit Theaterausstattung und Bühnenbildgestaltung beschäftigt. Wulf Schiel habe ich durch meine Frau kennen gelernt. Sie war es auch, die Ideen für die Ausstellungen in unserer Wohnung forciert hat." Matthias Böhler ist Wirtschaftsingenieur, Kaufmann und Metalldesigner. Für ihn muss Kunst eine Funktion haben. Am liebsten fertigt er echte Einzelstücke - Möbelstücke wie Regale, Lampen und Hochbetten, die künstlerisch gestaltet sind. Dieser kreative Ansatz lässt sich auch wunderbar in seine berufliche Tätigkeit in einer Werkstatt für Behinderte einbinden.

Der Tag der Überraschungen
Für die gemeinsame Ausstellung bereiten sich die drei unabhängig voneinander seit einem Jahr vor. Jeder setzt sich mit dem gewählten Thema auf seine Weise und mit seinem Werkstoff auseinander. Sibylle Böhler erklärt: "Wir nehmen das Thema zunächst als Arbeitsbegriff. Drei Monate danach merkt man, ob es sich trägt. Mit dem Thema ,Nackt' verhielt es sich so. Direkt glänzend - direkt klar, so haben wir es verstanden, alle drei. Wir sind keine Romantiker, nicht verspielt! Wichtig für unsere Kunst ist, dass sie fassbar ist. Entweder Sie mögen es direkt oder direkt nicht!"
"Während der Vorbereitungsphase tauschen wir Eheleute uns schon ein wenig aus", ergänzt Matthias Böhler. "Aber eigentlich überraschen wir uns mit unseren Kunstwerken am Ausstellungstag selbst."

Claudia Niessen

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